Matthew Fox zur Arbeit

Die Wiedererfindung der Arbeit

Vor einiger Zeit ist mir das Buch von Matthew Fox, dem Begründer der spirituellen Ökologie, in die Hände gefallen, in dem er über die Seelenlosigkeit unserer (Erwerbs)Arbeit schreibt. Der deutsche Titel des Buches ist „Die Revolution der Arbeit“, doch nannte Matthew Fox sein Buch: „The Reinvention of Work. A New Vision of Livelihood for our Time“ (Harper Collins Publishers New York 1994). Der Untertitel lautet übersetzt: Damit alle sinnvoll leben und arbeiten können. Erschienen im Kösel Verlag München 1996.

Der ehemalige Dominikanermönch erhielt durch seine erdverbundene Theologie von Kardinal Ratzinger Redeverbot und wurde schließlich vom Orden ausgeschlossen. Daraufhin gründete er die University of Creation Spirituality (Universität der Schöpfungsspiritualität).
Für Thomas Berry ist Matthew Fox einer der „kreativsten, umfassend denkendsten und sicherlich herausforderndsten spirituellen Lehrer Amerikas“.

Wir haben gelernt, die Welt sei eine Maschine genauso wie der Mensch. Entsprechend diesem Denken ist unsere Arbeit die Arbeit einer Maschine wie auch unsere Sprache und unser Leben wie Ableben. Der Mensch, der sich durch Bildung und Aufklärung als eine Maschine betrachtet, bringt auch eine seelenlose maschinenartige Sprache hervor. Doch wenn wir die Erde als einen lebenden Organismus ansehen, der Leben hervorbringt, muss auch unsere Arbeit organisch (biologisch) werden. „Sie muss einer inneren verborgenen ‚Saat‘ des Geheimnisses und der Kreativität entspringen und muss in wachsende und schöpferische Prozesse eingebunden werden.“

„Wo dein Herz ist, da wirst du auch deinen Schatz finden.“ (Matthäus 6,21) Arbeit hat sehr viel mit unserem Herzen und mit unserem Wunsch zu tun, ein freudvolles, erfülltes Leben zu leben. „Die beste Motivation für Arbeit besteht nicht darin, dazu gezwungen zu werden, oder äußerliche Belohnung dafür zu bekommen, sondern liegt in unserem inneren Verlangen.“ (Fox 1996: 97)

Unsere Arbeitswelt ist gekennzeichnet durch Abspaltung. Sie ist herausgerissen aus unserem Alltagsleben. Die zentralen Versorgungsarbeiten wie Essen richten, Zeit für sich selbst, mit Kindern, der Familie oder mit Freund.innen fristen ein Randdasein. Haushaltsarbeiten und Kinder- wie Altenbetreuung werden oft rastlos oder im Vorübergehen erledigt. Vor der industriellen Revolution hatte Arbeit mehr mit Beziehungen zu tun, schreibt Matthew Fox (1996:38). Seither ist Zeit Geld, wir werden veranlasst, alles Mögliche oder unsere Arbeitskraft zu kommerzialisieren, Geld damit zu verdienen, damit wir unsere Rechnungen bezahlen können. Der Mythos des Industriezeitalters ist, dass Arbeit hauptsächlich mit der Produktion in Fabriken und Industrieanlagen zu tun hat. Wenn wir uns jedoch der Frage zuwenden, so Fox, welche Arbeit wir heute wirklich brauchen, bringen wir neue Arten des Arbeitens hervor und können auf neue Weise Arbeitende sein, Arbeitsplätze schaffen und uns von der Arbeit erholen.

Um der Zukunft willen müssen wir unsere Kriegsindustrie abbauen und unsere Wirtschaft auf lebenserhaltende Unternehmungen lenken. Würden die Regierungen diese Bemühungen wirklich unterstützen, wäre ein Arbeitsplatzverlust durch die Schließung einer Fabrik nicht das Ende der Welt, denn es gibt so viel neue Arbeit, die getan werden muss. (Fox 1996: 39)

Für die Wiedererfindung der Arbeit für alle Menschen ist eine Richtung vorgegeben. Es ist die Arbeit, die das Universum von uns verlangt, die Arbeit an uns selbst, an der Menschheit. Das ist dringend, weil wir das Problem sind. Wir sind diejenigen, die durch unsere Blindheit, Habgier, Neid und durch Gewalt die eigene Heimat und die anderer Lebewesen zerstören. (Fox 1996: 40)

Durch unsere Arbeit loben wir Gott. Und dadurch wiederum gewinnt unsere Arbeit an Gnade und Sinn. (Fox 1996: 41)
Würden wir auf unsere grundlegenden Bedürfnisse achten, hätten wir genug Arbeit für alle. (Fox 1996: 83) Wenn es hingegen an Arbeit mangelt und die Arbeitslosigkeit regiert, lernen die Menschen daraus, dass sie in der Welt nicht gebraucht werden. Dieses Gefühl nicht gebraucht zu werden, erzeugt Selbsthass und eine Abtötung des Selbst, die in Alkohol- und Drogenmissbrauch, in Kriminalität und ins Gefängnis führt oder in andere Formen der Selbstbestrafung. Der kosmische Verlust erzeugt eine kosmische Verwüstung der Seele. Mit steigender Arbeitslosigkeit nehmen Alkoholismus und Drogenmissbrauch zu, und zwar nicht nur als Erwiderung auf Frustration und Druck, die wir empfinden, wenn wir unsere Rechnungen nicht bezahlen können, sondern auch aufgrund der geistigen Qual, in der Welt nicht gebraucht zu werden, aufgrund der Botschaft, dass die Zeit unseres Daseins nicht zählt, mit anderen Worten, dass unsere Gegenwart hier nicht kostbar ist. (Fox 1996: 84)
Ohne Arbeit zu sein bedeutet mehr als eine fehlende Erwerbstätigkeit, so schwierig eine solche Situation für unsere Selbstachtung und Zahlungsfähigkeit sein mag. Ohne Arbeit zu sein, bedeutet keinen Platz im Universum zu haben, kosmisch heimatlos zu sein. Ohne gute Arbeit zu sein bedeutet Bürger und Bürgerinnen des Universums zu sein ohne einen Beitrag dazu zu leisten. (Fox 1996: 84)
Die alten indischen Schriften preisen das große Werk des Universums ebenfalls. In der Bhagavad Gita lesen wir: Wenn meine Arbeit enden würde, würden diese Welten in der Vernichtung enden, und Verwirrung würde überall herrschen. Das wäre der Tod aller Wesen. […] Alles findet durch die miteinander verwobenen Kräfte der Natur statt. Wer aber in eigensüchtigen Selbsttäuschungen verfangen ist, hält sich für den Handelnden.“ Vielleicht findet heute so viel Zerstörung, Verwirrung und Tod unter allen Wesen statt, weil wir das Gespür für das eine Werk verloren haben und uns in unserer anthropozentrischen Arroganz vorstellen, wir Menschen seien die einzigen Akteure im Drama des Weltwirkens.  (Fox 1996: 85)
In Newtonscher Weltsicht halten wir uns für Einzelteile einer gewaltigen Maschine, in welcher jedes Zahnrad sich für sich selber dreht und oft genug im Wettstreit mit den anderen steht, die ebenfalls ihre Sache durchziehen wollen. Weil uns eine Kosmologie fehlt, eine Erfahrung des großen Ganzen, ist unser Leben zerstückelt und gebrochen wie auch unser Herz. Wir haben den Gemeinschaftssinn verloren und unsere Bemühungen bei der Arbeit sind bestenfalls eigennützig.
Spezialisierung hat sicherlich ihren Sinn, kann aber auch zu Isolation und Entfremdung führen. Jeder Beruf schafft sich beispielsweise durch die Verwendung einer Spezialsprache ein elitäres Gehabe, das andere daran hindert, aus dieser Arbeit zu lernen. Diese Mentalität passt zum Newtonschen Paradigma, dies entspricht jedoch nicht der Wahrheit der wechselseitigen Abhängigkeit, die die Grundlage unserer neuen Weltsicht bildet, eine Weltanschauung, die nicht zufällig auch von den Mystiker.innen der alten Zeit unterstützt worden ist. Wir brauchen also eine neue Kosmologie, die den stückwerkartigen Zugang zur Arbeit hinter sich lässt und uns zur Gemeinschaft führt, die für die wechselseitige Abhängigkeit sorgt. (Fox 1996: 86f)

Es bedarf einiger Zeit und Mühe, über die Botschaft nachzudenken, dass das ganze Universum an der Geburt [Schaffung] eines großen Werkes beteiligt ist, denn unsere Bildungssysteme und Arbeitswelten  vermitteln uns dies nicht.